19/3/07

Charango - ein unterhaltsames Reisebuch über Chile

Charango handelt von einer Reise durch Chile. Die darin vorkommenden Erlebnisse und Berichte sind real, aber da „aus den Augen und mit der Sprache eines Kindes“ erzählt wird, erfährt der Leser viel Wissenswertes über Land, Leute und Geschichte auf charmante und zum Teil sicherlich auch ungewöhnliche Weise.
Damit ist Charango eine unterhaltsame Reiselektüre und ideale Ergänzung zu klassischen Reiseführern

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ISBN 3-939305-06-5
Verlag: LIThaus Edition, Berlin
Titel: Charango
Autorin: Dagmar Riefler

Covertext:
Charango ist eine Liebeserklärung an Chile. Das Land, das sich lang und schmal zwischen den Anden und dem Pazifik seinen Platz gesucht hat. Dort liegt es und wartet auf all diejenigen, die seine großartige Naturvielfalt geniesen, die netten Menschen erleben oder einfach eine tolle Reise machen wollen.
Zusammen mit ihrem damals dreijährigen Sohn Rafael Luis ist die Autorin nach Chile geflogen. Aus dem geplanten Erholurlaub wurden fünf aufregende Recherchewochen für Charango. Entstanden ist ein Reisetagebuch, in dem die Autorin die vielen Erlebnisse und Begebenheiten während dieser Reise aus der Sicht ihres Sohnes erzählt. Immer wieder baut die Autorin in die Erzählung „Wissensblöcke“ ein. In diesen läßt sie Rafael Luis historische, geographische oder kulturelle Tatsachen über Chile erzählen. Dadurch ist Charango zum einen unterhaltsam und kurzweilig und zum anderen mit vielen Sachinformationen gespickt, so dass den Lesern dieses lange schmale Land mit Sicherheit ans Herz wachsen wird.


((Textauszug))

Wenn die Mapuchen weinen und die Charango am schwarzen Strand spielt

Wir fahren über die große Straße nach Santiago, um wieder auf die Panamerika zu kommen. Weil wir heute viele Kilometer nach Süden fahren wollen, bleiben wir auf der Panamerika und müssen an vielen der „Geldtankstellen“ anhalten, die von der Mami Geld wollen, damit wir weiterfahren dürfen. Anhalten müssen wir natürlich auch an den richtigen Tankstellen. Es ist ganz praktisch, dass unser Auto meistens dann Hunger hat, wenn auch Doris-Mädchen und ich Hunger haben. Während das Auto seinen Bauch mit Benzin gefüllt bekommt, dürfen wir unsere Bäuche mit Hotdogs füllen. Mamis Geldbeutel darf dann auch gleich mitessen und wird mit neuen Geldscheinen aus dem Automatenkasten gefüllt. Gerade als wir Lust auf frisches Obst und Gemüse bekommen, sieht Mami einen Laden mit Obst an der Straße. Die Frau, die das Obst und Gemüse verkauft, freut sich, dass wir da sind und zeigt uns alles Gemüse. Bei den Bergen aus lauter Obst dauert das lange und weil alles so hübsch und gut aussieht kaufen wir kleine Berge aus Obst, die uns die nette Frau in viele Tüten füllt. Die Tüten sitzen alle bei mir hinten im Auto. Ich bin nun der Obstmann und darf Mami und Doris-Mädchen mit Obst füttern. Wir fahren immer weiter und weiter ohne anzukommen. Die Anden sind an unserer linken Seite. Mal sind sie ein bisschen weiter weg mal näher dran. Immer sehen sie groß aus. Wie eine große Kette aus Bergen. Ohne Unterbrechung. Jetzt wird alles grün. Kein Sand liegt mehr herum. Dafür viele Felder und Hügel mit Bäumen. Da wir südlich von Santiago de Chile sind, sind wir im Süden Chiles. Da aber Chile so lang ist, gibt es nicht einfach „ein“ Süden. Es gibt den oberen, den mittleren, den unteren und den Süden ganz unten. Wir fahren nun durch den mittleren Süden. Ich muss an die Reise denken, die ich mit Mami in die Schweiz gemacht habe. Und auch wie in Deutschland sieht es hier aus. Auch die Luft riecht so, wie sie bei meiner Ma-Oma in Deutschland riecht. Weil die großen Menschen so gerne vergleichen, ist auch denen aufgefallen, dass es hier wie in der Schweiz aussieht und deshalb haben sie einfach beschlossen, diesen Teil des Landes die chilenische Schweiz zu nennen, obwohl das nicht die Schweiz, sondern Chile ist. Die großen Menschen machen sich das einfach. Klar dass es allen hier gefallen muss, die gerne in die Schweiz oder auch in Länder wie Norwegen oder Schweden fahren. Nur ist in Chile einfach alles größer und wilder. Berge, Täler und Flüsse gibt es da ohne Menschen und ohne Dörfer. Es regnet viel und deshalb gibt es viele Flüsse voller Wasser, die in den Anden klein anfangen und größer werden, bis sie zum Pazifik kommen, in den sie hineinfließen. Bekannt ist der Fluss Bio Bio. Als die großen Menschen aus Europa kamen, wollten sie das ganze lange Land für sich haben. Viel mussten sie kämpfen, um die anderen Menschen zu vertreiben, die schon in dem langen Land wohnten. Besonders viel mussten sie kämpfen, um über den Bio Bio zu kommen, denn die Menschen, die da schon wohnten, wollten dort auch wohnen bleiben und hatten keine Lust sich von den Menschen aus Europa ihr Land wegnehmen zu lassen. Die Menschen, die mit ihren großen Holzschiffen aus Spanien kamen und meinten allen Dingen und Menschen Namen geben zu müssen, nannten die Chilenen dort Araucanos. Dabei hatten sich die Menschen dort schon selbst einen Namen gegeben. Mapuchen, was Menschen der Erde bedeutet. Und Mapuchen nennen diese Menschen sich heute noch, weil die kämpfenden Menschen aus Europa zwar nach vielen Jahren doch über den Bio Bio kamen und auch im Süden von Chile ihre Städte gebaut haben, aber die Mapuchen nicht verschwinden lassen konnten. Das Volk der Mapuchen besteht aus vielen verschieden Stämmen, die jede ihre eigene Sprache haben. Bis heute sprechen die Mapuchen ihre Sprache, die man nur spricht und nicht schreibt. Trotzdem hielten sie zusammen, als die großen Menschen aus Europa kamen, um sie zu erobern. Im Jahr 1599 waren die Mapuchen in einem Kampf stärker und die Menschen aus Europa flohen über den Bio Bio nach Norden. Dort sammelten sie sich, um den Fluss zu bewachen, damit die starken Mapuchen diesen nicht überqueren konnten. Auch in den Anden mussten sie aufpassen, denn die Mapuchen kannten viele Wege nach Norden. Eine Stadt, die Concepción heißt, hatten die Menschen aus den Holzschiffen von Europa schon 1550 angefangen zu bauen. Diese wollten sie nicht aufgeben und machten diese Stadt zur Grenze zwischen dem von ihnen schon eroberten Land und dem Land der Mapuchen. Um diese Grenze zu bewachen, brauchten sie viele starke Leute dort, die auf die Mapuchen aufpassten. Viele Mapuchen Opas, Papas, Kinder und Enkelkinder wurden geboren, ohne dass sie weiter Land abgeben mussten, weil sie stärker als die Menschen aus Europa waren. 31 Millionen Hektar war ihr Land groß. Über 200 Jahre ließen sich die Mapuchen nicht mit Waffen und Kämpfen vertreiben. Auch nicht mit Beten. Denn die Menschen aus Europa brachten nicht nur Waffen mit sondern meinten auch, die Menschen in Chile sollten an das gleiche glauben wie sie selbst. Darum kümmerten sich die Missionare, die behaupteten, alles was sie tun und sagen sei richtig, weil sie doch von Gott geschickt seien. Und weil sie meinten, alles richtig zu machen, dachten sie die anderen machen alles falsch. Das dachten die Mapuchen nicht und hatten auch keine Lust auf die Missionare. Denn dieses Volk der Erde wusste schon, was es glauben wollte. Die glaubten etwas Wunderschönes und danach lebten sie; nämlich glücklich sein und glücklich machen. So organisierten sie ihre Familien und passten auf die Tiere und die Natur auf, die ja auch wie sie glücklich sein sollten.
Über dreißigmal versuchten die Menschen aus Europa Städte oder Festungen südlich des Bio-Bio Flusses zu gründen und hatten keinen Erfolg. Die waren da sicher richtig sauer. Auch als ein Bernhard O`Higgins 1818 in der Stadt Concepción rief, dass Chile nun ein unabhängiges Land sei und große Menschen ihn deshalb bewunderten und ihn einen Freiheitshelden nannten, ließen sich die Mapuchen wenig beeinflussen. Auch die Natur merkte sicher, dass die Mapuchen lieber zu ihr sind, als die „neuen“ Menschen aus den Holzbooten, deshalb ließ sie immer wieder die Erde so stark beben, dass die Häuser in Concepción umfielen. Aber die Menschen, die den Mapuchen ihr Land nehmen wollten, waren ganz schön ausdauernd. Die bauten ihre Häuser immer wieder auf. Sogar einen König hatten die Mapuchen. Den Orllie-Antoine der Erste. Der kam 1860 und beschloss König von Araucanien und Patagonien zu sein. Pech für ihn, dass die Menschen, die Chile regieren wollten daraufhin einfach das Land des neuen Königs besetzten. Erst 1881 konnte ein Koronel Gregorio Urrutia einen Frieden mit den Mapuchen schließen. Wahrscheinlich mehr zu seinen Gunsten als für das Volk, dass die Natur so lieb hat. Das hat ganz viel von seiner Natur verloren. Heute gehören ihm nur noch etwas mehr als 500.000 Hektar.
Mami will noch weiter in den Süden und das Land der Mapuchen fahren und hat für uns schon ein Haus ausgesucht, in dem wir schlafen können. Hoffentlich kann ich dort Mapuchen kennen lernen. Es ist schon spät und Mami ruft die Leute dort an, dass sie auf uns warten sollen. Wir kommen in ein Städtchen, dass an einem See liegt. Villarrica heißt das. Die reiche Stadt. Ich suche die Dächer aus Gold, weil die doch reich sind. Dachte ich, nur ist die Geschichte mit dem Gold schon lange her. Auch hier waren die Menschen, die Chile erobern wollten Mitte des 16. Jahrhunderts. Weil sie Gold suchten und fanden und auch noch einen dieser Pässe über die Anden entdecken wollten, bauten sie eine Stadt. Die gehörte auch zu den Städten, die die Mapuchen nicht haben wollten und deshalb ließen sie diese einfach verschwinden und schickten die Menschen, die aus Spanien gekommen waren, weg. Ganze 280 Jahre mußten die Menschen aus Spanien warten, bis sie diese Stadt wieder bauen konnten. Nun stehen da viele Häuser für viele tausend Menschen. Die meisten recht klein und mit Gärten. Wir fahren die Straßen hinauf und hinunter, um das Haus zu finden, in dem wir schlafen werden. Torre Suiza heißt das. Ein Turm also. Wir suchen einen Turm. Den gibt es schon, aber der gehört zu der Kirche und wir schlafen nicht in der Kirche. Doris-Mädchen fragt einen der vielen Menschen, die hier in der Nacht auf der Strasse herum gehen. Die wollen alle nicht schlafen, weil in Chile Sommerferien sind. Ich schon. Ich bin so müde. Doris-Mädchen kennt nun den Weg. Das meint sie, nur leider verwechselt sie rechts mit links und wir fahren wieder die Straßen hinauf und hinunter. Wie ein Gittermuster sind die Straßen angelegt. Zwei rauf, zwei runter. Und immer wieder kommen wir an dem Platz mit den vielen Leuten heraus. Wir müssen nochmals fragen und finden die Straße, in der unser Torre Suiza stehen soll. Da steht auch ein Haus mit der richtigen Nummer, nur ohne Turm. Dafür läuft ein großer Hund im Garten herum und bellt uns an. Mami ruft die Frau im Haus an und sagt, dass wir da sind, aber der Hund uns nicht hereinlässt. Die Frau kommt heraus und redet Mami mit „señora“ an und versucht alles auf spanisch zu erklären, dabei kann sie gar nicht so gut spanisch und ist ganz überrascht, dass Mami deutsch kann. Die Frau spricht ein ganz witziges Deutsch. Sie ist auch keine Deutsche sondern Schweizerin. Der nicht vorhandene Turm ist also zumindest tatsächlich ein Schweizer. Das Haus ist groß und ganz aus Holz. Wir gehen eine Treppe zu unserem Zimmer hinauf, die immer enger wird und so schön knarrt. Unser Zimmer ist direkt unter dem Dach mit einem kleinen Fenster und einer schiefen Zimmerdecke, an der sich Mami gleich dreimal ihren Kopf anstößt.

Am nächsten Morgen weckt mich Anna. Die kommt einfach in unser Zimmer spaziert. Wir haben alle noch geschlafen. Marianicht. Mariaist munter und redet und redet. Mich will sie sehen, weil sie auch ein Kind ist. Ein Mädchen und die Tochter von der Frau, der das Haus ohne Turm gehört. Mariasagt mir gleich, dass sie auch drei Jahre alt ist. Ich will nicht reden, weil meine Augen gerade noch geschlafen haben. Deshalb verstecke ich mich unter dem Bett. Das ist Mariaegal. Die kriecht auch unter das Bett und redet weiter. Keiner hilft mir. Mami verschwindet im Bad und Doris-Mädchen kramt in ihrer Tasche. Da ruft die Mama vom Anna-Kind. Aber das ist Mariaegal. Sie redet einfach weiter. Bis ihre Mama kommt und sie aus dem Zimmer holt. Jetzt darf ich auch ins Bad und muss mir wie jeden Morgen das Wasser dieser Duschen auf den Kopf prasseln lassen. Dann frühstücken wir. Alle anderen großen Menschen, die in dem Haus übernachtet haben, sind schon weg. Der große Tisch ist nur noch für uns gedeckt. Viel Platz ist da und viele Stühle stehen um den Tisch, trotzdem stehen da nur zwei Tassen und zwei Teller. Die wollen nicht an mich denken. Vielleicht, weil Mami ein Zimmer mit zwei Betten bestellt hat und die sich denken, dass dann auch nur zwei Betten frühstücken wollen. Aber den Betten ist das egal. Mir nicht. Wir drei schlafen fast immer in zwei Betten, weil ich mich an die Mami kuschele und wir so nur ein Zimmer für uns brauchen. Dabei esse ich morgens nicht viel, weil ich noch nicht so richtig wach bin und mein Hunger noch weiter schläft. Der wacht noch später auf als ich. Heute ist mein Hunger auch früher aufgewacht, weil auf dem Tisch ein Kuchen steht, der lecker aussieht. Den Kuchen hat die Frau selbst gebacken und auch das Brot. Oder die andere Frau, die in der Küche arbeitet und spanisch redet. Jetzt kommt keine der Frauen, um für mich ein Tässchen zu bringen, deshalb trinke ich mit Mami zusammen aus einer Tasse und esse meinen Kuchen von ihrem Teller. Schmecken tut das fein. Als ich fertig bin, kommt die Frau, die spanisch spricht aus der Küche und unterhält sich mit Mami. Die ist nett und mag mich. Vielleicht durfte sie mir kein Tässchen hinstellen. Die Frau wohnt in einem ganz kleinen Häuschen im Garten von dem Haus ohne Turm und arbeitet den ganzen Tag in dem großen Haus. Die Frau die nicht so gut spanisch spricht auch. Die putzt jetzt die Zimmer. Die hat auch einen Mann, der der Papa von der Mariaist. Die beiden sind ohne Marianach Chile gekommen. Vor sieben Jahren und da gab es die Marianoch nicht, weil die erst drei Jahre alt ist. Vorher sind die beiden mit ihren Fahrrädern um die ganze Welt gefahren. Jetzt wohnen sie in dem Haus ohne Turm und haben viel Land gekauft, auf dem sie Lamas wohnen lassen. In einem dicken Buch haben sie geschrieben, was sie während ihrer großen Reise mit dem Fahrrad erlebt haben. Mami ließt mir daraus vor und ich glaube die beiden haben sich richtig anstrengen müssen. Nun wollen sie wieder ganz weit mit dem Fahrrad fahren. Durch ganz Brasilien. Sicher wollen sie dort auch den Zuckerhut ohne Zucker und Hut besuchen. Mariawollen sie mitnehmen und in einem Korb auf Rädern an ein Fahrrad anhängen. Da wird sie ganz schön geschüttelt und kann nicht mehr so viel reden. Auf jeden Fall brauchen die Mama und der Papa von der Maria kein Radio, weil die so viel redet. Die Mama von der Maria findet das Kind zu dick. Dabei ist Marianicht dick sondern so schön knuddelig. Überhaupt bin ich nun richtig wach und mag Maria gerne, weil ich, wenn ich wach bin, auch viel rede. Wir machen das Radio ganz laut und tanzen. Dann muss ich ein bisschen böse werden, weil Doris-Mädchen mit Maria tanzt. Ich will nicht zu dritt tanzen. Doris-Mädchen gehört doch mir und nicht der Maria. Und wie mein Doris-Mädchen tanzen kann. Die kann ihren Bauch wie ein Karussell drehen und mit dem Pops hin und her wedeln. So wie das die Tanzmädchen im Fernsehen machen. Dann bin ich nicht mehr böse und wir probieren die Hüte von der Maria an. Leider darf die Marianicht mit uns zusammen einen Ausflug machen.
Wir wollen zu einem See fahren. Der heißt Calafquen und ist kleiner als der See Villarrica. Vorher halten wir an einem kleinen Supermarkt an, der direkt neben der Straße ist. Eigentlich ist meine Mami wie das Anna-Kind. Die redet auch mit allen möglichen Leuten. Wenn diese nett sind, redet Mami viel zu lange mit denen. Und da fast alle Menschen in Chile so nett sind, redet Mami während Doris-Mädchen und ich warten und andere Sachen machen, weil wir immer etwas zum anschauen oder spielen finden. Im Supermarkt sind eine Frau und ein Mann. Mami sagt denen, dass sie Lust auf Empanadas hat und schon bringt die Frau frische und noch warme Empanadas und Mami freut sich. Der Mann bringt uns Limonaden und Früchte und die Frau sucht für mich die Kekse mit den Schokostückchen drin, die ich so gerne mag. Dann tragen die beiden die Tüten zu unserem Auto und wir fahren weiter nach Lican Ray, einem Dorf, das an dem See Calafquen liegt. Das Dorf besteht aus ein paar Häusern, die zum Urlaubmachen im Sommer gebaut wurden. Die Menschen, die über Chile bestimmen, schenkten vor ein paar Jahren anderen Menschen Land, damit diese da Häuschen für den Sommer bauen. Und als da mehr Häuschen waren, bauten sie eine Straße. An der Straße entlang gibt es viele Häuser, in denen Möbel aus Holz verkauft werden. Die sind hübsch und hier gibt es viele Bäume. Wir nehmen ein paar Kinder mit, die mit ihren Badehosen auch zum See wollen. Der See ist fast so blau wie der Himmel und sieht freundlich aus. Aber der Strand ist nicht freundlich. Der will mich ärgern, piekst meine Füße und verbrennt sie fast. Denn statt mit weichem, weißen Sand belegt zu sein, so wie ich das von Mallorca gewohnt bin, ist dieser Strand hart und schwarz. Richtig schwarz. Ich habe noch nie einen schwarzen Strand gesehen. Der ist nicht schmutzig, sondern so schwarz wie ich weiß bin. Weil die Sonne auf den schwarzen Strand scheint, meint der nun, wie ein Ofen heiß werden zu müssen. Als ich mich an das Pieksen und Brennen der heißen schwaren Steinchen gewöhnt habe und wir uns ein Plätzchen für unsere Handtücher ausgesucht haben, merke ich, dass der Strand gar nicht unfreundlich zu mir ist. Der ist einfach anders als die Strände die ich kenne. Der Ofenstrand wärmt uns nämlich. Vor allem, wenn wir uns direkt auf die schwarzen Steinchen legen. Wenn man liegt, pieksen die auch nicht mehr und weil nun von irgendwoher ein Wind gekommen ist, der die Luft kühl macht, sind die warmen schwarzen Steinchen herrlich. Wir schwimmen im See und das Wasser ist so sauber, dass ich es trinken darf. Dann machen wir unser Picknick. Immer mehr Leute kommen an den Strand. Der schwarze Strand ist mit vielen bunten Handtüchern bedeckt. Dann kommen Frauen, die Spielsachen verkaufen. Bunte Luftballons, bunte Eimer, bunte Schwimmringe. Die bunten Sachen sind an Holzstäbe gebunden und die tragen die Frauen umher. Dann kommen Männer, die Körbe tragen. Darin sind Sachen zum Essen. Süße Kuchen und Popcorn. Das ist ein Treiben wie auf dem Jahrmarkt und wir liegen mittendrin. Mami verschwindet im Wasser und ich denke schon, sie kommt nie mehr wieder. Vielleicht denkt sie, sie sei nun ein Fisch. Aber dann beschließt sie, doch kein Fisch zu sein und kommt wieder aus dem Wasser heraus, um sich auf die warmen Steine zu legen. Ich höre Musik und die kommt zu uns. Das ist ein Papa mit seinem Kind. Die spielen beide auf einer Charango und singen dazu. Wunderschöne Lieder, die ich noch nie gehört habe. Ganz hohe Töne singt das Kind, das ein Junge ist. Schwarze Hüte haben die beiden auf und singen sich zu. Mal der Papa, mal das Kind und beide zusammen. Die Charangos sehen aus wie kleine Gitarren. Nur haben die dickere Bäuche. Die beiden haben ihre Charango sicher sehr lieb, weil sie die so an sich herandrücken. Da wo das Herz ist. Vielleicht klingen die Charangos deshalb so schön, weil das Herz mitsingt. Die Charango spielen in Chile viele Menschen, die in den Bergen leben. Und viele Menschen im Norden.
Überhaupt machen die Menschen in Chile viel Musik und völlig unterschiedliche. Die großen Menschen und die Kinder kennen viele Lieder und singen die. Singt einer, können alle mitsingen. Und die, die so schön die Instrumente spielen können das so, ohne Noten. Während die großen Menschen aus Spanien Chile erobert haben, wollten sie nicht nur kämpfen. Deshalb brachten sie nicht nur Waffen, sondern auch Instrumente wie die spanischen Gitarre mit. Diese sind dann in Chile mit den Menschen geblieben und immer mehr geworden. Auch schon vor den erobernden Menschen wurde in Chile getanzt, weil das Tanzen ganz wichtig für ihre Religion und ihr Leben war. In den vielen Jahren haben die Menschen das, was es schon gab mit dem was mit den Schiffen hergebracht wurde gemischt und neue Instrumente und Lieder erfunden. Heute gibt es deshalb eine typische chilenische Folklore, zu der viele verschiedene Instrumente, Lieder und Tänze gehören und die alte Musik, die die Menschen, die schon immer in Chile gelebt haben, nicht vergessen und die heute noch so ist, wie sie vor vielen hundert Jahren war. Bei dieser alten Musik spielen die Menschen auf Instrumenten die Luft brauchen, damit Töne herauskommen. Die sind aus Holz, Steinen und hohlen Rohren gemacht. Da gibt es Flöten, die rund sind mit zwei Löchern oder aussehen wie Pfeifen, aus denen große Menschen rauchen. Alle haben einen eigenen Namen bekommen. Die Quena ist aus einem hohlen Rohr gemacht, in das fünf Löcher gebohrt wurden und mag nicht mit anderen Instrumenten zusammen klingen. Die will alleine gespielt werden und mag auch nicht so gerne auf Feste, sondern lieber irgendwelche spirituellen Sachen. Die Charango ist nicht so kompliziert. Die klingt alleine schön und zusammen mit anderen Instrumenten auch. Die alten Instrumente haben sogar konkrete Aufgaben. Die einen werden gespielt, wenn die Menschen Religion machen, andere spielen sie bei Festen und wieder andere für irgendwelche Zeremonien. Die Instrumente, die aus Spanien kamen, brauchen für ihre Töne Saiten. So wie die Gitarre oder die Geige.
Schade, dass der Papa und das Kind mit ihren Charangos weiter gehen. Ich laufe hinterher und muss schnell anhalten und in die andere Richtung laufen, weil es da schon wieder Musik gibt. Nun sind Kinder gekommen. Die trommeln. Das sind keine Trommeln aus Blech. Die haben die Trommeln aus Baumstämmen gemacht. Damit diese richtig trommeln, haben sie die Baumstämme ausgehöhlt und über das Loch ein Fell gespannt, und bevor sie das Fell festmachten, haben sie noch ein paar Steinchen oder Körner hineingefüllt, damit das besonders hübsch klingt. Das sind typische Mapuche-Trommeln, die diese Kultrún nennen. Die Kinder machen auf ihren Kultrúns richtig Musik und trommeln so fröhlich vor sich hin, dass immer mehr Leute zuhören wollen und einen großen Kreis um die Kinder bilden. Ich sehe die Kinder nicht mehr und steige auf einen Baum. Da sitze ich nun und komme nicht mehr herunter und meine Mami soll mich retten. Aber weil Mami auch die Kultrún trommelnden Kinder hören will, lässt sie mich einfach auf dem Baum sitzen. Zum Glück hören die Kinder auf. Sonst hätte mich Mami wohl auf dem Baum vergessen, da sie so begeistert zuhört.
Heute wollen wir abends in dem Haus ohne Turm kochen. Doris-Mädchen und ich wollen Spaghetti. Mami macht das gerne und die Küchen in den Häusern, in denen Menschen schlafen, die wie wir herum reisen, sind interessant, weil sich da die Leute treffen, sich viel erzählen und Mami sich wieder mal viel unterhalten kann. Diesmal muss sich Mami nicht viel unterhalten, weil die Mariaschon auf uns gewartet hat und uns viel erzählt. Mariawill auch Spaghetti essen und kocht mit uns. Wir sitzen schon am Tisch, als der Papa von der Maria kommt und sagt, dass sie nicht mitessen darf. Die Arme. Die muss nun alleine in ihrer großen Küche essen, nur weil der Papa nicht will, dass sie mit fremden Leuten isst. Dabei sind wir nicht fremd. Die Mariakennt mich schon und ich die Anna. Die großen Menschen machen das doch wirklich kompliziert. Die Spaghetti mit der roten Tomatensoße sind lecker. Weniger lecker ist der weiße Ziegenkäse, der schon wieder auf dem Tisch liegt. Jeden Tag essen Doris-Mädchen und Mami von dem bleichen Käse und immer noch ist ein großes Stück übrig und immer noch finden Doris-Mädchen und Mami diesen Käse lecker.
Nun will ich freiwillig ins Bett gehen und Mami überraschen. Aber sie überrascht mich. Ich darf nicht ins Bett gehen, sondern muss mich hübsch anziehen, weil wir noch spazieren gehen wollen. Ich nicht, die anderen schon. Also muss ich mit. Wir gehen durch die Straßen und kommen auf eine große Straße, auf der viele Kinder herumlaufen, die sicher auch schlafen wollen, aber so wie ich ihre Mamas begleiten müssen. Überall verkaufen große Menschen Sachen. Wir gehen in den „Mercado artesanal de los Mapuches“. Das ist ein Markt, in dem Mapuche-Menschen Sachen verkaufen, die sie selbst gemacht haben. Ich bin neugierig auf die Mapuchen. Die kämpfen jetzt auch nicht mehr sondern sitzen friedlich bei ihren Sachen. Ganz liebe Menschen finden wir da und die können tolle Sachen machen. Das sind richtige Künstler. Eine Frau macht aus Haaren von Pferden kleine bunte Schmetterlinge. Die sehen so fein und zierlich aus und sind gleichzeitig so fest, weil die aus den robusten Pferdehaaren gemacht sind. Dann gibt es unendlich viele Sachen aus Holz. Schalen, Löffel, Bilder und vieles mehr. Ich bekomme meine Schlange Tina. Die ist ganz lang und bunt und sieht aus wie eine echte Schlange. Tina kann auch so schlängeln wie eine echte Schlage, obwohl sie aus Holz gemacht ist. Das können die Mapuchen sicher so gut, weil sie die Natur so lieb haben und deshalb wissen, wie sie tolle Sachen mit der Natur machen können. Vor allem die Mapuchen Frauen sind da so geschickt, weil sie schon immer viel mit ihren Händen in ihren Rucas gearbeitet haben. Rucas nennen die Mapuchen ihre Häuser, in denen sie leben und früher haben manche Mapuchen sogar drei Rucas zum Wohnen gehabt. Eine Ruca zum Schlafen, eine zum Kochen und eine zum Sachen Aufbewahren und Hüten der Kinder. Die Mapuche Frauen machen viele Sachen. Die hüten ihre Mapuchen Kinder und machen das Essen. Die Sachen zum Essen bauen sie in ihren kleinen Gärten an und dort halten sie auch kleinere Tiere. Wenn sie sich um das alles gekümmert haben und sich ausruhen wollen, dann setzen sie sich hin , arbeiten mit ihren Händen und machen aus der Wolle der Schafe richtige Wollfäden, mit denen sie warme Pullover und die schönen bunten Ponchos stricken. Die Mapuche Frauen können auch Töpfe und Schüsseln aus Ton machen. Der Chef vom Ruca-Haus ist der Mann der Mapuchen Frau. Der geht tagsüber weg zum Arbeiten auf den Feldern oder mit den Pferden. Außerdem sind es die Männer der Mapuchen Frauen, die die Schlange Tina aus dem Holz machen können und die Kultrún-Trommeln, auf denen die Kinder getrommelt haben. Die Mapuchen machen auch besonderen Schmuck aus Silber. Solche Ketten habe ich noch nie gesehen. Die haben große Anhänger mit Figuren. Am besten gefällt mir meine Schlange Tina, die mit uns kommen darf.
Viele Menschen gehen nun die Straße hinauf. Wir gehen mit, weil die sicher wissen, weshalb sie alle in die selbe Richtung gehen. Wir wissen es nicht, sind aber neugierig. Zusammen mit den vielen Menschen kommen wir zu einem Platz, auf dem noch mehr Menschen stehen. Ich sehe nur noch Beine, deshalb darf ich ganz nach vorne gehen. Auf dem Platz stehen zwei Männer und reden. Das muss wohl lustig sein, was die reden, weil die Menschen lachen. Manchmal finde ich das auch lustig, aber die reden von Politik und von Wirtschaft und davon verstehe ich nichts aber einer der Männer bewegt sich so lustig, dass ich auch lachen kann. Manchmal fragen die Männer auch die Leute, die zusehen. Und dann fragt der Mann, was die „Argentina rubia“ meint. Alle drehen sich um. Wir suchen auch die „Argentina rubia“und kapieren nicht, dass der Mann die Mami meint. Das können wir auch nicht kapieren, weil meine Mami gar nicht richtig blond ist und auch keine Argentinierin. Aber der Mann will mit der „Argentina rubia“ reden und besteht darauf, das das die Mami ist. Also macht Mami mit und die beiden lachen noch viel mehr als die anderen Leute.

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